Torsten Herbst

Priorität der Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz weiter unklar - Regierung bricht bei Neubewertung der Schienenprojekte eigene Zusage

Bis zum 3. Quartal 2018 sollte laut Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bund sowie nach Aussagen des Bundesverkehrsministeriums eine Bewertung aller Schienenprojekte des „potenziellen Bedarfs“ im Bundesverkehrswegeplan erfolgen. Daran hängt die Priorisierung der Baumaßnahmen. Betroffen ist davon auch die Strecke zwischen Dresden und Görlitz. Trotz mehrfacher Ankündigung hat das Bundesverkehrsministerium die Bewertung bis heute nicht veröffentlicht. Dazu erklärt der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Torsten Herbst:

„Bereits nach einem halben Jahr bricht die Bundesregierung ihre eigene Zusage. Vom Verschleppen der Bewertung ist auch Ostsachsen betroffen. Denn noch immer ist nicht klar, wann die grenzübergreifende Verbindung zwischen Dresden und Breslau aus sächsischer Seite elektrifiziert sein wird. Während die Strecke auf polnischer Seite bis Ende 2019 komplett mit Fahrdraht ausgestattet ist, hat das Bundesverkehrsministerium noch nicht einmal die Wirtschaftlichkeit des Projekts auf deutscher Seite geprüft.

Das Schneckentempo bei der Projektrealisierung ist enorm peinlich für Deutschland. Auf deutscher Seite verkehren nach 2019 weiter nur Dieselzüge, während in Polen schnellere und komfortablere Elektrozüge zum Einsatz kommen. So wird das nichts mit einer höheren Attraktivität auf der Schiene. Zudem hatte sich Deutschland in einem Staatsvertrag mit Polen schon vor Jahren zur Elektrifizierung bis Görlitz verpflichtet.

Deutschlandweit bleibt weiterhin unklar, welche Bauprojekte auf der Schiene in den nächsten Jahren vordringlich umgesetzt werden sollen. Das ist ein fatales Signal für den gesamten Verkehrsträger. Gebetsmühlenartig wiederholt die Bundesregierung, dass der Schiene die Zukunft gehöre. Die Fahrgastzahlen sollen laut Regierung bis 2030 verdoppelt werden. Doch wenn es um den zügigen Ausbau der Infrastruktur geht, passiert viel zu wenig. Die unzureichende Infrastruktur ist der Flaschenhals für eine bessere Leistungsfähigkeit der Bahn.“

Hintergrund:

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist das zentrale Planungsinstrument für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes. Aus ihm gehen die konkreten Bedarfspläne der drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße hervor. Neben den Dringlichkeitskategorien „vordringlicher Bedarf“ und „weiterer Bedarf“ wurde im zugehörigen Schienenwegeausbaugesetz die Bedarfskategorie des „potenziellen Bedarfs“ angelegt, in denen sämtliche Schieneninfrastrukturprojekte aufgenommen worden sind. Die Nutzen-Kosten-Untersuchungen für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Projekte waren zur Zeit der Verabschiedung des BVWP noch nicht abgeschlossen. Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung beschlossen, diese Bewertungen bis zum dritten Quartal 2018 nachzuholen. Auch das Bundesverkehrsministerium hat mehrmals auf diesen Termin verwiesen.